An die Arbeit

Es begann mit einem B(r)uch

Effi Briest neu erschaffen, das haben die fünf Schreibteams des eff.i19-Projekts, das hat auch die Freiburger Autorin Mara Andeck. Ihr Roman heißt „Effi liest“ und ist im Fontane-Jubiläumsjahr 2019 unter ihrem Pseudonym Anna Moretti erschienen. Die Geschichte spielt nicht im Heute sondern zur Entstehungszeit des Originals, 1894. „Effi“ heißt Elena, sie ist 18 Jahre alt und vollzieht ein der Fontane-Figur vergleichbares literarisches coming of age. Sie ist unzufrieden mit den Konventionen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, lehnt die Rolle ab, die ihr die Gesellschaft zuspricht, und sucht stattdessen den Auf- bzw. Ausbruch. Indem sie liest. Bücher, deren Inhalt nach damaliger Einschätzung jungen Frauen nicht bekommt: „Physiologie des Genusses“. Dafür wird Elena des Internats verwiesen – und beginnt stattdessen, zu studieren. Das eff.i19-Team aus Cottbus hat den Roman gelesen.

Die Figuren der Geschichte sind liebevoll skizziert und sehr echt dargestellt. Auch der Konflikt des Romans ist bewegend. Es geht um die Neugier eines jungen Mädchens auf die Liebe. Für meinen Geschmack könnte man aber tiefer gehen. Mehr Konfrontation und ernsthafte tiefgründige Szenen hätten das Werk fesselnder machen können und mein Interesse an dem Buch gesteigert. Mir gefällt die Geschichte hinter dem Roman, ein Mädchen, das die Norm in Frage stellt. Die Power hinter den Wörtern reichte für mich manchmal nicht aus. Trotzdem kann ich sagen, dass dieser Roman mit seiner interessanten historischen Ebene, den detailgetreuen Bildern und den medizinischen Fakten nachvollziehbar und glaubhaft ist.

Tamina Hägler

Leuten, die in der Moderne aufgewachsen sind, fällt es oftmals schwer, sich in die Vergangenheit hineinzuversetzen. Wer kann es ihnen verübeln? Für uns ist heute vieles ganz normal, was früher verpönt war. Diesen Unterschied zwischen heute und damals stellt Anna Moretti in ihrem Roman ,,Effi liest“ sehr bildlich dar. Was für einen Stand hatten junge Frauen damals? Welche Freiheiten und Träume hatten sie und wie war es mit der Liebe und dem Akt? Mit vielen kleinen Details und geschichtlichem Wissen hat die Autorin ein leicht und flüssig zu lesendes Buch geschaffen. Mir hat manchmal etwas Tiefe und Pepp gefehlt. Für jeden, der ein gutes Buch zum Entspannen lesen möchte, ist dieses Werk perfekt geeignet.

Alpha Heidel

Besonders gefallen hat mir die kritische Auseinandersetzung mit Sigmund Freud und seinen Theorien. Ich habe den Eindruck, dass seine manchmal fragwürdigen Äußerungen nicht beachtet werden in der generellen Vermittlung an den Psychologie-Laien. „Effi liest“ klammert Kritik nicht aus. Auch fand ich es toll, durch die den Kapiteln vorangestellten Zitate oder die Briefe von Max so viel über den damaligen Zeitgeist zu erfahren.

Die Frauenfiguren im Roman sind allesamt stark und rebellisch. Eine heutige Leserin würde nichts anderes mehr akzeptieren.

Elena begehrt erfolgreich gegen die frauenfeindlichen Lebensumstände des ausgehenden 19. Jahrhunderts auf. Sie ist ein toleranter, offener Mensch. Sie verkörpert somit Werte, die in unserer Zeit selbstverständlich sind und mit denen sie damals als Frau bestimmt noch größere Probleme bekommen hätte, als im Roman dargestellt. Mit ihr kann ich mich auf jeden Fall identifizieren, da dieses Unverständnis für überholte Konventionen und Bevormundung zeitlos ist. Es mag dem Genre der romantischen Komödie geschuldet sein, das ich solche Bücher sonst kaum lese, ich konnte das Ende der Geschichte von Beginn an erahnen. Überraschungen in der Handlung gab es für mich also nicht. Ich habe das Buch trotzdem gerne gelesen und nach wenigen Tagen zufrieden zugeschlagen.

Swantje Kautz

Der Roman wurde viel diskutiert in der Schreibwerkstatt im Gladhouse, und ambivalent bewertet: Etwa, dass Mädchen und junge Frauen zur damaligen Zeit zu Lustobjekten gemacht wurden, man es vorzog, sie ahnungslos zu lassen was Erotik betraf, und sie diesbezüglich Glück oder Pech mit ihren Ehemännern haben konnten. Heutzutage wiederum machten sich Mädchen oftmals selbst – bewusst – zu Lustobjekten und versuchtten so, Reaktionen zu provozieren, die helfen, sich zu entdecken.

Die profunde medizinhistorische Recherche, die Mara Andeck ihrem Roman zugrunde legte, fand bei allen Würdigung. Kritik gab es am Stil als „zu betont jugendlich“.

„Aber wenn man über ein Buch streiten kann, hat es doch schon viel erreicht.“

Launige Passagen vedankt der Roman den Briefen, welche die männliche Hauptfigur, der junge Dresdner Arzt Max von Waldau, seinem Bruder schreibt.

Fotos: flickr/PR